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Leerstands-Analyse: Wiener Neustadt weiterhin Sorgenkind

Neue Studie von S+M gibt Einblick in handelstechnische Verfassung der Citys

City Retail Health Check 2025 / Foto: © leadersnet.at/A.Felten
Präsentierten den City Retail Health Check 2025: Stephan Mayer-Heinisch (HV), Hannes Lindner (S+M), Rainer Will (HV)Foto: © leadersnet.at/A.Felten

Der Handelsverband und Standort + Markt stellten gestern die neueste Ausgabe des “City Retail Health Check” im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz vor. Die jährliche Analyse innerstädtischer Geschäftsflächen zeigt für 2024 eine paradoxe Entwicklung: Während die Gesamtverkaufsfläche leicht ansteigt, kämpfen viele Handelszonen mit gravierenden strukturellen Verschiebungen und einem steigenden Leerstand.

Seit 2013 erfasst Standort + Markt in den 20 größten Städten Österreichs sämtliche Shopflächen und verfügt damit über ein unabhängiges Monitoring zum Zustand und den Veränderungen der österreichischen Ballungszentren. Die aktuelle Studie zeigt: Mödling und Wels mit geringstem Leerstand. Steyr, Wiener Neustadt und Leoben als Sorgenkinder.

Österreichs Citys mit hohen Leerstandsquoten

  1. Steyr (17,4%)
  2. Wiener Neustadt (14,4%)
  3. Leoben (11,8%)
  4. Eisenstadt (11,2%)

Österreichs Citys mit niedrigen Leerstandsquoten

  1. Mödling (1,8%)
  2. Wels (2,7%)
  3. Wien, Landstraßer Hauptstraße (2,9%)
  4. Linz (3,0%)
  5. Salzburg (3,1%)
  6. Feldkirch (3,5%)
  7. Bregenz (4,4%)
  8. Wien, Favoritenstraßen (4,6%)
  9. St. Pölten (4,7%)

Anm.d.Red.: als “Citys” sind Primär- und Sekundärstädte zu verstehen.

Entwicklung der Verkaufsflächen

Die Shopflächen in den 20 größten Städten Österreichs zeigen im Vergleich zum Vorjahr ein minimales Wachstum von +0,26%. Doch dieses Plus ist nahezu ausschließlich auf die Eröffnung der Wiener Shopping Mall Vio Plaza (+10.600 m²) zurückzuführen. Ohne diese Expansion wäre die Verkaufsfläche 2024 erneut um -0,37% gesunken.

“Besorgniserregend ist, dass sieben von zehn Innenstadtbereichen in den größeren Städten weiter an Verkaufsfläche verloren haben. In den heimischen Kleinstädten zeigt sich sogar ein noch deutlicherer Rückgang, hier mussten 13 von 16 Innenstadtbereichen Flächeneinbußen hinnehmen”, fasst Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbandes, zusammen.

Leerstand steigt massiv, besonders in Kleinstädten

Die Leerstandsquote in den 24 größten Innenstadtbereichen ist auf 5,5% gestiegen (Vorjahr: 4,9%). Noch dramatischer ist die Situation in den Kleinstädten, wo der Leerstand bereits 15,6% erreicht hat. Besonders betroffen sind hier Hartberg, Knittelfeld, Bruck an der Mur, Bruck an der Leitha, Horn, Liezen und Hollabrunn mit Leerstandsquoten von über 20%.

“Der Flächenanteil der Einzelhändler in den österreichischen Citys ist seit 2014 von 72,8% auf 65,5% geschrumpft. Beim Leerstand haben wir 2024 den höchsten Anstieg seit Beginn unserer Studie verzeichnet. Der Einzelhandel leidet unter der Konkurrenz des eCommerce, der insbesondere in cityrelevanten Branchen zwischenzeitlich einen erheblichen Anteil am Konsum ausmacht, und dieser Trend könnte in den kommenden Jahren noch zunehmen”, prognostiziert Studienautor Hannes Lindner, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Standort+Markt.

Mode- und Möbelhandel weiter im Sinkflug

Die Angebotsstruktur der Innenstädte verändert sich rasant. In den letzten zehn Jahren hat der Modehandel in den Primär- und Sekundärstädten rund 123.000 m² Verkaufsfläche verloren (-20%). Der Flächenanteil des Fashion-Segments ist auf 26,2% gesunken, während die Nahversorgung kontinuierlich zulegt und bald die Hälfte der Modeflächen ausmachen könnte. Die Gastronomie zeigt wiederum erste Sättigungstendenzen, während Dienstleistungsangebote und Freizeitflächen (z.B. Barbershops, Casinos) an Bedeutung gewinnen.

“Der heimische Modehandel hat in den letzten 10 Jahren fast ein Fünftel seiner Verkaufsfläche verloren. Verantwortlich dafür sind einerseits der eCommerce-Boom und die Teuerungskrise, andererseits aber auch ausbleibende Reformen und die lähmende Bürokratie, die den stationären Handel in Österreich stärker belastet als in allen anderen EU-Ländern”, sagt RainerWill. Mit der Schließung der Leiner-Häuser 2021 begann auch der Verkaufsflächenrückgang der Citys im Segment Wohnungseinrichtung. Zuvor lag der Flächenanteil noch bei stattlichen 8%, heute sind es nur mehr 5,3%.

Strategien für die Zukunft

Angesichts des anhaltenden Strukturwandels braucht es gezielte Transformationsstrategien. Standort + Markt setzt auf das sog. “Nutzungsschichtenmodell”, das funktionale Defizite in den Innenstädten aufzeigt und gezielte Entwicklungsprojekte ermöglicht. Klar ist: Die Zukunft des stationären Handels hängt nicht mehr allein von Verkaufsflächen ab, sondern von der multifunktionalen Nutzung der City. Ohne ein nachhaltiges Konzept droht in vielen Regionen eine weitere Verschärfung der Leerstandsproblematik. “Shopflächen allein bestimmen nicht das Leben und die Frequenz der City, die Multifunktionalität der City kann einiges an Frequenz gut machen. City-Resilienz wird zukünftig durch City-Multifunktionalität definiert”, ist S+M-Experte Hannes Lindner überzeugt.

Handel bleibt Besuchsgrund Nummer 1 in den Innenstädten

Laut einer im Februar 2025 veröffentlichten Studie des IFH Köln mit Europas größter Passantenbefragung ist der Handel weiterhin mit großem Abstand Besuchsgrund Nummer 1 in der Innenstadt (61%), gefolgt von Gastronomie (40 %) und Sightseeing (20 %). Damit das so bleibt, muss eine angenehme “Visitor Journey” gewährleistet sein, von der Informationsphase (z.B. Online-Informationen der jeweiligen Stadt zu Angebot und Parkmöglichkeiten) über die Anreise (Parkmöglichkeiten, Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln) und die Aufenthaltsqualität (Stadtbegrünung, Sauberkeit, Sicherheit) bis hin zum Angebot vor Ort (Einzelhandel, Gastronomie, Kultur, Freizeitmöglichkeiten, Veranstaltungen).

Aus Besuchersicht bringt die Studie klare und teils einfach zu lösende Wünsche zutage: Neben Maßnahmen gegen den Leerstand ist die Top-Priorität der Besucher:innen ein verbessertes Toilettenangebot. Weitere wichtige Punkte sind mehr Grün im Stadtraum, ein Ausbau der Angebote für Kinder und Jugendliche sowie ein Ausbau der PKW-Parkmöglichkeiten.

“Der Handel bleibt mit großem Abstand Besuchsgrund Nummer 1 in den Innenstädten. Es braucht aber neben den Rahmenbedingungen auch in der Stadtentwicklung das gewissenhafte Abarbeiten der Wünsche der Bevölkerung. Neben den Maßnahmen gegen den Leerstand ganz vorne mit dabei ist das stille Örtchen im Ort!”, sagt Rainer Will.

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