Bereits Ende September erfolgte der Spatenstich für eine rund 1,3 Kilometer lange und 5,5 Meter breite Baustraße zwischen der Gemeindestraße „Rechte Kanalzeile“ und der B 53 Neudörfler Straße zur Erschließung der zukünftigen Brückenbaustellen. Heute haben die ersten Arbeiten gestartet, um die Trasse freizumachen.
Für den Bau des Ringschlusses muss Baumbestand entfernt werden. Davon betroffen sind Ufergehölzzeilen im Bereich der Warmen Fischa und des Fischa-Mühlbachs sowie eine rund 1.000 Quadratmeter große Fläche neben der Michael-Hofer-Straße. “Ein ökologisches Büro identifizierte im Bereich der beiden Gewässer bei einer Begehung neun ältere Bäume, beim Rest handelt es sich um Gehölze.”, heißt es in einer Aussendung des Landes.
“Es droht eine Rodung des Auwaldes”
Aktivisten der Initiative “Vernunft statt Ostumfahrung” sehen die Situation vor Ort etwas anders: “Heute am frühen Morgen haben Spezialkräfte mit der Räumung des Protestbaumhauses, das gegen die Ostumfahrung in Lichtenwörth errichtet wurde, begonnen, zum zweiten Mal in wenigen Monaten. Während dutzende Menschen vor Ort protestieren, zerstören PolizistInnen die Baumhäuser und Barrikaden. Ein breites Bündnis aus lokalen LandwirtInnen, GrundstückseigentümerInnen, AnrainerInnen und UmweltschützerInnen protestiert hier gegen den Bau der Ostumfahrung.”
Der lokale Biolandwirt Hans Gribitz, der einen Enteignungsbescheid erhalten hat, zeigt sich verzweifelt angesichts des Polizeieinsatzes: “Ich bin den Menschen so dankbar, die hier Leib und Seele riskieren, um meine Äcker und den Auwald vor der Zerstörung für ein sinnloses Straßenprojekt zu schützen.”
Grundstücke “sind gesichert”
Der NÖ Straßendienst versichert: “Die für den Bau benötigten Grundstücke sind gesichert, sodass alle Voraussetzungen erfüllt sind, um die Arbeiten an diesem bedeutenden Infrastrukturprojekt fortzusetzen. Bis 2027 soll das letzte Modul für die Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen rund um Wiener Neustadt fertiggestellt sein.”
Irene Nemeth von “Vernunft statt Ostumfahrung” betont, dass FPÖ und ÖVP hier zeigen wofür sie wirklich stünden: Enteignung von LandwirtInnen und die Zerstörung von wertvollen Äckern und Auen. “Dieser Kurs führt uns mit Vollgas in die nächsten Jahrhundert-Flutkatastrophen und Dürren. Die 60 Millionen sollten sie lieber in ein Verkehrskonzept für Wiener Neustadt und Umgebung stecken, das Zukunft hat! Mikl Leitner, kommen Sie zur Vernunft!”
Attac und Greenpeace verurteilen Projekt
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac verurteilt die Räumung und solidarisiert sich mit den Protestierenden. “Trotz Rekordhitze und einer Jahrhundertflut mit Milliardenschäden und unvorstellbarer Zerstörung vertritt die ÖVP-FPÖ-Regierung in Niederösterreich weiter die Interessen der Auto- und Baulobby“, kritisiert Theresa Kofler von Attac Österreich.
Kofler weiters: “Damit mehr klimaschädliche Autos durchs Land rollen können, wurden Bäuer*innen enteignet, fruchtbare Böden zerstört und Bäume in einem Natura 2000 Schutzgebiet gerodet. Nun werden Menschen aus dem Weg geräumt, die gegen dieses sinnlose Straßenprojekt protestieren und sich für den Schutz unserer Lebensgrundlagen einsetzen.”
Melanie Ebner, Bodenschutzexpertin bei Greenpeace: „Die ÖVP/FPÖ-Landesregierung und Bürgermeister Schneeberger zeigen einmal mehr, wie gleichgültig ihnen der Schutz unserer wertvollen Natur und der heimischen Lebensmittelproduktion ist. Das Artensterben und die Klimakrise wirken sich bereits jetzt massiv auf uns aus. Es ist absolut unverantwortlich, dass hier nun Wald und Äcker unter Beton und Asphalt verschwinden. Die von der Landesregierung erwähnten ,Ausgleichsmaßnahmen’ reichen bei Weitem nicht aus, um den Schaden an einem so wertvollen Ökosystem zu kompensieren.”
Grüne NÖ: Schwarzblauer Anschlag auf Klima und Boden
“Ausgerechnet am Tag, an dem der Landtag über 600 Millionen Euro Katastrophenhilfe für die verheerenden Hochwasserschäden dieses Sommers beschließt, wird in Lichtenwörth das Protestcamp gegen die Ostumfahrung Wiener Neustadt geräumt. Das ist ein schwarzblauer Tiefpunkt in der niederösterreichischen Umweltpolitik”, zeigt sich Helga Krismer, Klubobfrau der Grünen NÖ, erschüttert.
“Ein schwarzer Tag in der Geschichte Wiener Neustadts und Niederösterreichs. Die Betonwut der schwarz-blauen Landesregierung, des Bürgermeisters Schneebergers seiner ÖVP/SPÖ und FPÖ greift um sich. Es werden im Natura 2000 Gebiet Tatsachen geschaffen. Bäume werden gefällt, der Lebensraum vieler Tiere wird in diesen Stunden zerstört, schwere Maschinen rollen über fruchtbares Ackerland um es für immer zu vernichten und unter Asphalt zu begraben. Wer bis jetzt noch glaubt, Bürgermeister Schneeberger handelt im Interesse einer guten Stadt, wird heute eines Besseren belehrt. Die Vernichtung unserer Natur für die Ostumfahrung ist nicht zu entschuldigen”, ist Selina Prünster, Stadträtin der Grünen, schockiert.
Offener Brief von Parents For Future
Mit einem offenen Brief wendet sich die Bewegung Parents For Future an LH Mikl-Leitner, LH-Stellvertreter Landbauer und Bürgermeister Schneeberger. Dort heißt es: “Mit wachsender Besorgnis verfolgen wir Parents For Future Österreich seit Jahren die Pläne zur Ostumfahrung Wiener Neustadt. Wir sind bestürzt, dass die Baumaschinen aufgefahren sind trotz der Kritik von wissenschaftlicher Seite und trotz des zunehmenden zivilgesellschaftlichen Widerstandes. […] Es erscheint uns als Hohn am Leid aller Geschädigten, dass Sie wenige Tage nach einer verheerenden Überschwemmungskatastrophe in Niederösterreich den Grundstein für ein riesiges, teures Straßenprojekt legen und damit für zusätzliche Versiegelung fruchtbarster Ackerböden sorgen und beste Voraussetzungen für weitere Bodenversiegelung durch Betriebsansiedlungen schaffen.” (weiterlesen…)
Wirbel um Rechnungshofbericht
Erst kürzlich schlug ein Bericht des Rechnungshofs hohe Wellen, in dem festgestellt wurde, dass weite Gebiete der überprüften Städte (Anm. d. Red.: Wels und Wiener Neustadt) ein ausgeprägtes Risiko von Hitzeinseln aufweisen. Auch zum Projekt B17 Ostumfahrung Wiener Neustadt merkt der Rechnungshof an, dass es in einem Spannungsfeld zu klima- und umweltpolitischen Zielen sowie zur Ernährungssicherheit steht, weil Boden versiegelt wird und landwirtschaftliche Flächen verloren gehen. Der Gemeinderat von Wiener Neustadt nahm daraufhin den Bericht des Rechnungshofes offiziell nicht zur Kenntnis.