Der Rechnungshof überprüfte von Juni bis September 2023 Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in den Städten Wels und Wiener Neustadt. Ziel war die Erhebung der Rahmenbedingungen auf europäischer, nationaler und Landesebene. Ein weiteres Ziel war es, die Planungen, Konzepte und Maßnahmen der Städte Wels und Wiener Neustadt zur Anpassung an den Klimawandel zu beurteilen.
In seinem kürzlich veröffentlichten Bericht stellt der Rechnungshof fest: Weite Gebiete der überprüften Städte (Anm. d. Red.: Wels und Wiener Neustadt) weisen ein ausgeprägtes Risiko von Hitzeinseln auf – der Handlungsbedarf ist erheblich. Durch umfangreiche Begrünungsmaßnahmen und eine angepasste Raumordnung und Bebauung können diese Effekte abgemildert werden. Dazu zählt etwa die Entsiegelung von Flächen.
In Österreich leben rund 70 Prozent der Bevölkerung in Städten und deren Umland. Wiener Neustadt ist stärker von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen als Wels, etwa in Hinblick auf Hitzetage, und zählt gelegentlich zu den Hitzepolen in Österreich.
Bauprojekte in der Kritik
Das Bauvorhaben „Maximilium am Stadtpark“ in Wiener Neustadt beurteilt der Rechnungshof aus Sicht der Klimawandelanpassung kritisch. Denn die geplante Bebauung – es sollen Wohnungen, Büroflächen, Lokale und ein Bildungscampus errichtet werden – könnte das bereits hohe Risiko von Hitzeinseln in der Innenstadt weiter erhöhen. Auch zum Projekt B17 Ostumfahrung Wiener Neustadt merkt der Rechnungshof an, dass es in einem Spannungsfeld zu klima- und umweltpolitischen Zielen sowie zur Ernährungssicherheit steht, weil Boden versiegelt wird und landwirtschaftliche Flächen verloren gehen. Der Bau des „Ringschlusses“ startete bereits.
Schneeberger: “unvollständig, verkürzt und populistisch”
„Ja, wir sind für den Bau, weil er die Schadstoff-Emissionen im Stadtgebiet massiv reduzieren wird, wie Studien belegen, und weil er die Verkehrsbelastung in Wohnviertel massiv reduzieren wird. Die Versiegelung ist mit knapp fünf Hektar im Übrigen auf ein Minimum reduziert worden und geringer als bei jedem neuen Betriebsgebiet im Umkreis von Wiener Neustadt“, rechtfertigt sich Bürgermeister Schneeberger in einer Stellungnahme gegenüber profil. Er fände die RH-Prüfung „über Klimawandelanpassung unvollständig, verkürzt und populistisch“.
➔ Ausführliches Statement von Bürgermeister Schneeberger zum Rechnungshof-Report
Die Grünen Wiener Neustadt hingegen begrüßen die Prüfung des Rechnungshofes: “Die kritische Auseinandersetzung mit der Aufgabe ‘Klimawandelanpassung’ muss nun als Grundlage dienen, eine tiefgreifende Veränderung in Gang zu setzen. Der Rechnungshof legt den Finger in die Wunde und zeigt auf, dass die Klimawandelanpassung in Wiener Neustadt viel zu lange vernachlässigt wurde”, heißt es in einer Aussendung.
Grüne stellen Schneeberges Eignung in Frage
“Wir Grünen haben in den letzten Jahren viele Anläufe unternommen, um Vorsorge für die Herausforderungen der Zukunft zu treffen. Doch jeder einzelne Versuch wurde von der ÖVP blockiert. Der Rechnungshof zeigt die Versäumnisse klar auf. Insofern ist der Bericht ein riesen Ansporn, unseren Kurs fortzusetzen!”, erklärt Selina Prünster, Stadträtin der Grünen Wiener Neustadt.
Prünster weiters: “Was der Bericht und auch die unprofessionelle Reaktion von Klaus Schneeberger zeigen: die ÖVP hat ihre Hausaufgaben nicht verstanden. Die radikale Ignoranz vom Bürgermeister, seiner ÖVP aber auch von SPÖ und FPÖ ist einzigartig und verstörend. Vor allem aber ist sie gefährlich, denn es wird die Zukunft und Lebensqualität der Menschen in Wiener Neustadt aufs Spiel gesetzt. Nicht zuletzt ist die Frage zu stellen, ob eine Person, die auf fundierte, inhaltliche Kritik mit persönlicher Kränkung reagiert, für das Amt eines Bürgermeisters wirklich geeignet ist.”
NEOS: “Stadtentwicklungsplan erweist sich als unbrauchbar”
NEOS-Gemeindesprecher Bernhard Lutzer meint dazu: „Versprechen und Ankündigungen sind bedeutungslos, wenn sie nie in Taten umgesetzt werden. Die Stadt genügt sich mit grüner Kosmetik für die One-Man-Show. Der Stadtentwicklungsplan erweist sich als unbrauchbar, denn lediglich zwei Maßnahmen wurden positiv bewertet.“
Lutzer äußert Kritik zum Umgang des Bürgermeisters mit den neuen Erkenntnissen: „Anstatt sich mit den Handlungsempfehlungen des Rechnungshofes auseinanderzusetzen wischt er sie kommentarlos vom Tisch. Dieser Umgang mit dem obersten Kontrollorgan der Politik erschüttert uns.“
Bürgerinitiative erwartet mehr Hitzestress
“Der Rechnungshof bestätigt das, was wir von Vernunft statt Ostumfahrung schon lange fordern: Keine weitere Versiegelung und der Schutz von Grünräumen, damit die Folgen der Klimakatastrophe nicht noch schlimmer werden! Im Gegensatz zu Schneebergers Behauptung würde der Hauptteil der Ostumfahrung durch Wiener Neustädter Gemeindegebiet gehen. Das würde zukünftig noch mehr Hitzestress für die Wiener NeustädterInnen bedeuten, die schon jetzt in Österreichs Betonhauptstadt wohnen.”
Klimaschutz kostet Geld
Der Rechnungshof empfiehlt den untersuchten Städten Wels und Wiener Neustadt, den mittel- beziehungsweise langfristigen Finanzierungsbedarf für Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel abzuschätzen und finanzielle Vorsorge dafür zu treffen. Denn diese sind kostenintensiv und werden die Städte und Gemeinden in den nächsten Jahren vor hohe finanzielle Herausforderungen stellen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 werden sich die österreichweiten Ausgaben für die Anpassung an den Klimawandel bei mittlerer Erwärmung bis 2050 auf zwei Milliarden Euro pro Jahr verdoppeln.
➔ Aussendung und Bericht des Rechnungshofs
➔ Schneeberger: “Rechnungshof schießt weit übers Ziel hinaus”