Um den Jahreswechsel sammelten Sophie Gatschnegg (23) und Lina Koppensteiner (19) fast 1.100 Unterschriften von wahlberechtigten Wiener NeustädterInnen, um an den Gemeinderat zu appellieren, eine Volksbefragung zur Ostumfahrung Wiener Neustadt durchzuführen.
Diese Befragung sollte stattfinden bevor die “Schlinge aus Beton, Lärm und giftigen Abgasen” die fruchtbaren „Lichtenwörther Äcker“ und das Natura 2000-Schutzgebiet der Fischa-Auen zerstören würde. Nun erhielten die Initiatorinnen Post von Bürgermeister Klaus Schneeberger (74), der auf mehreren Seiten und mit vielen juristischen Hinweisen verkündet, dass es keine Volksbefragung geben wird. Das Thema soll nicht einmal im Gemeinderat behandelt werden.
Schneeberger, 20 Jahre lang ÖVP-Klubobmann im NÖ-Landtag und treibende Kraft hinter dem Projekt, verweist darauf, dass es ein Projekt des Landes NÖ sei und leider nicht in seinem „Wirkungsbereich“ liege.
“Selbstverständlich könnte er eine passende Formulierung für eine Volksbefragung zu dieser 60 Millionen-Weichenstellung finden – wenn er das wollte… Das wirft die Frage auf, warum der Bürgermeister die Volksbefragungs-Debatte im Gemeinderat vermeidet und dadurch verhindert, unterschiedliche Meinungen in der Bevölkerung zu dem Thema sichtbar zu machen.”, so die Initiatorinnen. Eine Volksbefragung würde sowohl Befürworterinnen als auch Gegnerinnen des Projekts die Möglichkeit geben, mit der Politik zu kommunizieren.
Offener Brief von Top-Wissenschaftlerinnen
Dutzende Top-Wissenschaftlerinnen wie Reinhard Steurer, Franz Essl, Günter Emberger oder Helga Kromp-Kolb und auch viele Kulturschaffende hatten zuletzt in einem „Offenen Brief“ an den Gemeinderat Wiener Neustadt appelliert, auch aus demokratiepolitischen Gründen einer Volksbefragung zuzustimmen. Doch der Bürgermeister der Stadt mit dem höchsten Bodenverbrauch pro Einwohnerin, mit der höchsten Leerstandsquote im Stadtzentrum und mit einer Wahlbeteiligung von nur mehr knapp über 50%, wischte das alles vom Tisch und beharrt auf einem Projekt, dessen „Hauptziel die bessere Erschließbarkeit von Gewerbegebieten“ (laut Bundesverwaltungsgericht) ist.
Reinhard Steurer (Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur) dazu: „Der Bürgermeister von Wiener Neustadt ist fest entschlossen, sein Asphalt- und Beton-Lebenswerk nicht von der Bevölkerung in Frage stellen zu lassen. Zum Glück halten nach wie vor eine große Menge entschlossener BürgerInnen dagegen und es ist zu hoffen, dass es nach dieser Entscheidung mehr werden. Ansonsten werden wir alle früher oder später merken, dass man Asphalt nicht essen kann.“
Volksbefragung wäre jederzeit möglich
Schneebergers Hinweis, dass es 10% der Wahlberechtigen brauche, um eine Volksbefragung zu erzwingen, lassen die Initiatorinnen nicht gelten. Die Unterschriften von 10% der wahlberechtigten Wiener Neustädterinnen könnten eine Volksbefragung erzwingen, sind aber für die Abhaltung der Befragung nicht notwendig, meint Sophie Gatschnegg. Die ungefähr 500 Unterschriften, die für eine Behandlung der Volksbefragung im Gemeinderat notwendig waren, wurden bei weitem erreicht. Und in Lichtenwörth will die ÖVP eine Volksbefragung verweigern, obwohl dort im Jänner über 20% der Wahlberechtigten durch einen Initiativantrag für eine Befragung unterschrieben. So verleidet man Bürgerinnen die Mitgestaltung der Zukunft und die Freude an politischer Partizipation, ist sich Gatschnegg sicher.