Vor 225 Jahren gründete der Mineraloge Anton David Steiger die „Wienerisch Neustädter Steinkohlengewerkschaft“, die wenig später den einzigen Schifffahrtskanal auf dem Gebiet des heutigen Österreichs baute. Der Wiener Neustädter Kanal, wie sein endgültiger Name lautete, wurde nach dem Vorbild zeitgenössischer, britischer Schifffahrtskanäle in den Jahren 1797 bis 1803 zwischen Wien und Wiener Neustadt gebaut und 1811 bis zur österreichisch-ungarischen Grenze auf der Pöttschinger Höhe verlängert.
Verbindung Wien–Triest blieb Traum
Aus politischen und finanziellen Gründen konnte weder die wirtschaftlich wichtige Fortsetzung über Sopron/Ödenburg nach Györ/Raab, noch die als Fernziel erträumte, direkte Verbindung Wien–Triest verwirklicht werden. Damit war auch der Hauptzweck seines Baus, der kostengünstige Transport der Braunkohlen aus dem Raum Sopron/Ödenburg nach Wien, nicht realisierbar.
Bedeutendes Industriedenkmal
Entstanden in einer Zeit großer politischer, gesellschaftlicher, sowie technischer und wirtschaftlicher Veränderungen, ist der Wiener Neustädter Kanal dennoch als erstes und jahrzehntelang auch sehr ertragreich betriebenes Massengütertransportsystem auf dem Gebiet des heutigen Österreichs ein bedeutendes Industriedenkmal und ein eindrucksvolles Beispiel für die Ingenieurskunst der damaligen Zeit. Von dem ursprünglich über 64 Kilometer langen Bauwerk sind heute noch 36 Kilometer zwischen Wiener Neustadt und dem Mödlingbach bei Laxenburg/Biedermannsdorf als Werkskanal in Betrieb und stehen unter Denkmalschutz. Radfahrern und Wanderern bieten die parallel verlaufenden Begleitwege entspannende Erholungsräume.
Entstehung, Betrieb und Geschichte des Kanals
Die Ausstellung vermittelt einen Überblick über Entstehung, Betrieb und wechselvolle Geschichte des Kanals. Behandelt werden auch seine heutigen Funktionen und die Bedeutung für das südliche Wiener Becken. Die Geschichte der Ziegeleien entlang des Kanals ist daher ein weiteres Thema, wobei zum Teil seltene Originalziegel aus diesen Werken zu sehen sind. Ein Kapitel widmet sich den Konkurrenten des Kanals, den Eisenbahnen im südlichen Wiener Becken. Schwerpunkte bilden dabei die Aspangbahn, die über lange Zeit ein Tochterunternehmen der Kanalgesellschaft war, sowie die k.u.k. Militärschleppbahnen am Steinfeld.
Zeichnungen, Bilder und Pläne
Zu sehen sind Zeichnungen, historische sowie aktuelle Bilder und Pläne, darunter einige aus der Zeit des Kanalbaus, die bisher selten oder noch nie öffentlich gezeigt wurden. Zahlreiche Exponate ergänzen die Ausstellung, und ein Diorama mit dem Modell eines Schiffes und einer Schleuse veranschaulicht den Kanalbetrieb.
Vorgestellt werden auch Personen, die in der Geschichte des Kanals und der Aspangbahn eine wichtige Rolle spielten. Allen voran der Wiener Neustädter Anton David Steiger, der Aktionär Kaiser Franz II./I., die Planer und Erbauer Sebastian von Maillard und Josef Schemerl, der „Raxkönig“ und Holzspediteur Georg Huebmer sowie die Kanalpächter, unter ihnen Reichsgraf Moritz Christian Fries, Vorbild für Raimunds „Verschwender“, und die „Ziegelbarone“ Alois Miesbach und Heinrich Drasche. Gewürdigt wird ebenso der Architekt des Wiener Aspangbahnhofs, Franz von Gruber, der auch in Wiener Neustadt planerisch tätig war. Anekdoten und Zitate runden diesen kulturhistorischen Teil der Ausstellung ab.
Buch zur Ausstellung
Die bisher in Wien und Baden gezeigte Ausstellung wurde neu gestaltet und um die Themen „Der Kanal im Raum Wiener Neustadt“ und „Die geplante Kanalverlängerung“ erweitert.
Erhältlich ist auch das Buch zur Ausstellung „Wiener Neustädter Kanal. Vom Transportweg zum Industriedenkmal”, das über die zweihundertjährige Geschichte und den Betrieb des Verkehrsweges sowie über die archäologischen Entdeckungen informiert. Ein ausführlicher, reich bebilderter „Kanalführer”, der das Buch abrundet, macht es zum praktischen Begleiter auf Radtouren und Ausflügen entlang des Kanals.
Ausstellung “Wiener Neustädter Kanal und Aspangbahn”
9. Mai bis 4. September 2016
Stadtmuseum Wiener Neustadt