Startseite Kultur Geschichte „Verschollener“ Grabstein aus dem 14. Jahrhundert gefunden

“Verschollener” Grabstein aus dem 14. Jahrhundert gefunden

Wiener Neustadt: Zufallsfund eines mittelalterlichen Grabsteins mit hebräischer Inschrift

Dieser Artikel wurde vor 7 Jahren veröffentlicht. (Letztes Update vor: 7 Jahren)

Grabstein von 1350 / Foto: Werner Sulzgruber
Foto des Grabsteins von 1350 vor der gänzlichen FreilegungFoto: Werner Sulzgruber

Am 25. Juli 2017 wurde bei Grabungsarbeiten bei den Wiener Neustädter Kasematten ein Grabstein entdeckt. Christian Strobl, Mitarbeiter der beauftragten Baufirma, wandte sich diesbezüglich sofort an den Historiker Dr. Werner Sulzgruber, der in seinem Erst-Befund feststellte, dass es sich um einen spätmittelalterlichen Grabstein handelt, der von außergewöhnlicher Größe ist.

Am 25. Juli 2017 wurde bei Grabungsarbeiten bei den Wiener Neustädter Kasematten ein Grabstein entdeckt. Christian Strobl, Mitarbeiter der beauftragten Baufirma, wandte sich diesbezüglich sofort an den Historiker Dr. Werner Sulzgruber, der in seinem Erst-Befund feststellte, dass es sich um einen spätmittelalterlichen Grabstein handelt, der von außergewöhnlicher Größe ist.

Nach der vollständigen Freilegung am 7. August wurde die gesamte Inschrift sichtbar und lesbar. Von Dr. Sulzgruber wurde der für Hebräisch und hebräische Inschriften zuständige Experte Mag. Johannes Reiss, Direktor des Österreichischen Jüdischen Museums in Eisenstadt, hinzugezogen, der den Erst-Befund bestätigte und den Stein auf das Jahr 1350 datierte: Es handelt sich um den Grabstein einer Frau namens Tirnka, Tochter des Isaak und Ehefrau des Jonas, die am 27. Oktober 1350 (24. heschvan 5111) verstarb und auf dem jüdischen Friedhof der Neustadt bestattet worden war.

Grabstein war bereits dokumentiert

Der Historiker Dr. Werner Sulzgruber hatte den Grabstein bereits vor Jahren in einer alten französischen Schrift aus dem Jahr 1894 erwähnt gefunden, aber 2010 in seinem Buch “Das jüdische Wiener Neustadt” noch als “verschollen” einstufen müssen, weil der Grabstein nicht mehr auffindbar gewesen war. Der Fachmann für jüdische Geschichte sowie Stadt- und Zeitgeschichte von Wiener Neustadt führt nun die historische Dokumentation durch. Die erste vollständige Übersetzung der gesamten Inschrift sollte von Mag. Reiss gemacht werden.

Sulzgruber: “Die Inschrift dieses Grabsteins ist im 19. Jahrhundert mit einer Anzahl anderer von keinem Geringeren als Dr. Friedrich Semeleder, dem späteren Leibarzt von Kaiser Maximilian von Mexiko, aufgenommen worden. Der Stein wurde zuletzt 1894 und 1895 in einer französischen Textquelle erwähnt.”

Sollte er nicht gefunden werden?

Irritierend ist für den Wissenschaftler, dass der hebräische Text des Grabsteins zwar Ende des 19. Jahrhunderts abgeschrieben (“kopiert”) wurde und sichtbar gewesen war, man den Stein aber später verschüttete, ohne seinen Standort festzuhalten. Man ließ diesen außergewöhnlichen Stein also bewusst verschwinden, was aus heutiger Sicht völlig unverständlich ist. Umso erfreulicher ist es, dass er nun wieder ans Tageslicht gekommen ist, meint Sulzgruber.

Der im Juli 2017 in Wiener Neustadt “wieder-entdeckte” Grabstein ist mit rund 110 cm Breite, 170 cm Höhe und 30 cm Tiefe von außerordentlichen Dimensionen. Frau Tirnka könnte daher – so eine Annahme des Historikers – wohl eine bedeutende Frau in der spätmittelalterlichen Neustadt innerhalb der jüdischen Gemeinde gewesen sein. Näheres wird zur Zeit von Dr. Sulzgruber untersucht.

Weitere Vorgehensweise noch offen

Der Grabstein trägt eine äußere Mauer einer doppelwandigen Stadt-Befestigungsmauer (d.h. einen Teil der Vorwerke). Die Außenmauer wurde in der Vergangenheit sichtbar ausgebessert. Auch der wertvolle Grabstein weist einen Riss, vielleicht wegen des auf ihm lastenden Drucks, auf. Deshalb ist natürlich für die nächsten erforderlichen Schritte Vorsicht geboten.

Besondere jüdische Geschichte von Wiener Neustadt

Wiener Neustadt hat eine besondere jüdische Geschichte vorzuweisen, die von Dr. Sulzgruber seit vielen Jahren erforscht wird. Die Stadt verfügt über eine beachtliche Anzahl hebräischer Grabsteine aus dem Mittelalter. Zu diesen zählt der älteste erhaltene hebräische Grabstein Österreichs aus dem Jahr 1252 und eine Gruppe von Steinen, die zu den ältesten Europas gehören.

Der wieder-entdeckte mittelalterliche Grabstein von 1350 ist demnach einer von mehreren hebräischen Grabsteinen, die Mitte des 19. Jahrhunderts gefunden worden waren. Sie alle stammen ursprünglich vom mittelalterlichen jüdischen Friedhof, der sich außerhalb der Stadtmauern im Süden der Neustadt befand. Nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung 1496 durch Kaiser Maximilian I. wurde der Friedhof zerstört. Seine Grabsteine wurden als Baumaterial für die Befestigungsanlagen des 16. Jahrhunderts verwendet.

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