Startseite Panorama Ionentherapie Gimborn: mit Medaustron droht ein Zwentendorf in Wiener Neustadt

Gimborn: mit Medaustron droht ein Zwentendorf in Wiener Neustadt

Kritik an mangelnder Transparenz und unabsehbaren Folgekosten.

Dieser Artikel wurde vor 9 Jahren veröffentlicht.

MedAustron / Foto: MedAustron
Mit MedAustron entsteht in Wiener Neustadt eines der modernsten Zentren für Ionentherapie und Forschung in Europa. Die Bestrahlung der Patientinnen und Patienten wird dabei mit Kohlenstoffionen oder Protonen erfolgen. Foto: MedAustron

Mit dem in Wiener Neustadt entstehenden Krebstherapiezentrum Medaustron beschäftigte sich gestern am Abend in der NÖ Budgetdebatte die Landtagsabgeordnete des Team Stronach für NÖ, Dr. Gabriele Von Gimborn, und übte heftige Kritik an mangelnder Transparenz, an mangelnder Information des Landtages durch die Landesregierung und an unabsehbaren Folgekosten.

Medaustron bedient sich bei der Behandlung von Krebs einer speziellen Technologie: Im Gegensatz zu den herkömmlichen Bestrahlungsmethoden entfalten Strahlen aus Wasserstoff- oder Kohlenstoffkernen ihre Wirkung besonders im Tumorbereich – während das umliegende, gesunde Gewebe geschont wird. So jubeln jedenfalls die Betreiber, bemängelt Von Gimborn.

Keine evidenten Studien zur Behandlungsform

Interessant ist, merkt Von Gimborn an, dass es hierzu, obwohl diese Therapie beinahe schon seit 20 Jahre durchgeführt wird, keine evidenten Studien vorliegen. Gimborn verweist dazu auf einen diesbezüglichen kritischen Bericht des Ludwig Bolzmann Instituts.

Im Endausbau ist in Wiener Neustadt geplant, 1.400 Patienten pro Jahr zu behandeln, wobei die Betreiber davon ausgehen, dass das Zentrum von Anfang an ausgelastet sein wird. “Das ist ein Wunschtraum, der an Selbstüberschätzung nicht zu überbieten ist”, kritisiert Von Gimborn und erklärt: “Denn, wenn wir uns die Zahlen ansehen, dann wurden im Jahre 2011 in 5 Zentren in Europa gemeinsam ca. 2000 Patienten behandelt.”

Zentrum in Kiel: nur 440 Patienten im Jahr

Von Gimborn verweist auch auf das mit Medaustron vergleichbare und 2009 in Betrieb gegangene Heidelberger Zentrum. Behandelt wurden dort im ersten Jahr 440 Patienten. Von Gimborn: “Ich geben zu bedenken, dass Heidelberg eine Universitätsstadt ist und die Empfehlung des Rechnungshofes, das Zentrum in Österreich an eine Universität anzubinden, einfach ignoriert wurde!”

Die Landtagsabgeordnete des Team Stronach für NÖ verwies auch auf das Beispiel an der Uni-Klinik im dt. Marburg. Dort ist um mehr als 100 Millionen Euro ein Zentrum für innovative Krebstherapie aufgebaut worden – doch die Ionenstrahl-Kanone, Kernstück der Anlage, wird nicht für Behandlungen genutzt. Zu teuer, sagt der Betreiber. Die Techniker mussten inzwischen eingestehen, den Mund zu voll genommen zu haben.

Unterlagen liegen nicht vor

Es gäbe zwar für Medaustron, so Von Gimborn, angeblich eine Evaluierung der Hochrechnung für die Patientenfrequenz, die ursprünglich aus dem Jahre 2002 stammt, aber dieser Bericht liegt dem Landtag nicht vor. “Es wäre natürlich sinnvoll zu wissen, wer diese Evaluierung gemacht hat und auf welche Daten diese Evaluierung basiert”, kritisiert die Landtagsabgeordnete des Team Stronach für NÖ die mangelnde Transparenz der zuständigen Politiker in der NÖ Landesregierung.

Auch Hauptverband kritisiert

Sogar der der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger hat sich mit dem Projekt beschäftigt und kam zu folgendem Schluss:

  • Sowohl die Indikationen für Hadronentherapie (statt bisheriger konventioneller Bestrahlung) als auch mögliche Substitutionseffekte (Substitution von Chemotherapie, anderer Strahlentherapie oder belastenden Operationen) sind vage und derzeit nicht zu dimensionieren.
  • Kohlenstoffionentherapie ist derzeit gering erforscht,
  • Weiters fehlt es an Langzeitergebnissen (inkl. Lebensqualität) und Kosteneffektivitätsstudien (inkl. Folgekosten)
  • Die Zahl der Behandlungsfälle ist nicht einschätzbar. Eine Langfristplanung ist daher mit großen Unsicherheiten behaftet.
  • Zur Bestimmung von Wirksamkeit und Sicherheit besteht Bedarf an prospektiven randomisierten Vergleichsstudien.

Rechnungshof deckt weiteren Finanzierungsbedarf auf

Der Rechnungshof hat auch weit überhöhten Kosten bei der Errichtung aufgedeckt und angemerkt, dass bis zum Jahre 2046 weitere bis zu rd. 274 Millionen Euro Finanzierungskosten zu erwarten sind:

“Das gesamte finanzielle Risiko, sowohl für eine allfällige Überschreitung der geplanten Kosten als auch für eine Rückzahlung der vereinbarten Zuschüsse der Gebietskörperschaften im Falle des technischen Misserfolges, trägt die Betreibergesellschaft EBG und in Folge das Land NÖ als mittelbarer Alleineigentümer der EBG.”

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